Lektion 71:
Ideale Treffpunkte: Theater und Zirkus
Der Dichter Ovid lobt die Stadt Rom, weil dort viele schöne Mädchen zu finden seien. Auch den jungen Männern zeigt er, an welchen Stellen sie vor allem die Mädchen suchen sollen: Im Theater wirst du sicherlich ein Mädchen finden, mit dem du flirten kannst, das du lieben und umarmen willst. Denn wie die Bienen, nachdem sie duftende Wiesen erreicht haben, durch Blüten fliegen, so eilen die geschmücktesten Frauen zu den viel besuchten Spielen. Sie kommen um die Spiele zu sehen; und sie kommen damit sie auch selbst angeschaut werden. Auch der Zirkus bietet einer neuen Liebe viele Vorteile: Dort braucht man nicht die Finger, durch welche du heimlich mit einem Mädchen sprichst; denn ganz nahe bei deiner Herrin –wobei dich keiner hindert- kannst du dich hinsetzen und ein Gespräch anfangen. Und es ist nicht schwer zu erkennen, ob das Mädchen mit dir flirten will. Zuerst mögest du eifrig erkundigen, wessen Pferde auf der Rennbahn sind und für welche jene schwärmt. Beeile dich den selben Beifall zu klatschen denen sie klatscht. Und du weißt genau, dass es viele Dinge gibt, durch die du irgendeine Pflicht leisten kannst: Einigen war es schon nützlich einem Mädchen ein Sitzkissen angeboten zu haben, auf dem sie bequem sitzt; manche bewegen die Luft mit einem kleinen Fächer, damit sie das Herz(die Aufmerksamkeit) und die Gunst des Mädchens auf sich lenken. An diesen Orten also wählst du wohl diese leicht aus, der du sagst: "Du allein gefällst mir!"
Lektion 72:
Neue Hoffnung für die Menschen
Nachdem Oktavian Macht erreicht hatte und vom Senat 'Augustus' genannt worden war, sprachen die Römer vieles unter sich über den Zustand des Staates. Gnaeus Calpurnius Piso sagte:" Wenn wir nicht die Tugenden unserer Vorfahren vergessen hätten, wären nicht so viele unschuldige Menschen in diesen Bürgerkriegen gestorben."
Lucius Munatius Plancus erwiderte: "Du sprichst wahr, mein Piso! Wenn Augustus aber die Freiheit und die Eintracht für das Volk wiederherstellen sollte, könnten wir neue Hoffnung erreichen." Piso antwortete:" Wenn dieses geschehen würde, könnten die römischen Bürger glücklich sein. Aber ich fürchte, dass du einen Traum siehst, Freund!" Plancus darauf: "Falls Treue, Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Gesetze wieder verehrt werden sollten, wird wohl dieser Streit nicht mehr entstehen und wir werden wohl ohne Angst unser Leben verbringen. Das hat mir neulich der Dichter Vergil gesagt. Wenn du die Bücher der Dichter und Philosophen gelesen hättest, Piso, wüsstest du, dass das neue goldene Zeitalter jetzt von vielen gefeiert wird."
Lektion 73:
Politik - nichts für Phlilosophen?
Raphael, weil er nicht begierig nach Stärke war, wollte er weder dem König noch einem gewissen Fürsten zur Hilfe sein. Diesem warf Morus vor: Er stimme einem derartigen Plan nicht zu. Denn wer wisse nicht, dass dieser klüger über die Leitung des Staates sprechen könnte, als die Meisten, die jetzt in der Versammlung des Königs anwesend seien? Raphael antwortet: Der Morus täusche sich gewaltig. Er sei keinem Fürsten in irgendeiner Sache von Nutzen, weil sich die Fürsten öfter mit den militärischen Bemühungen beschäftigen, als hinsichtlich des Friedenspläne zu fassen. Er aber werde weder geleitet von der Begierde Kriege zu führen, noch von dem Ehrgeiz geleitet. Und er setzte fort: Weil diese Dinge so seinen, habe Platon, jener sehr berühmte Philosoph in einer Fabel dargelegt, warum sich viele weise Männer vom Einschlagen der politischen Laufbahn enthalten würden. Darauf erklärt Raphael: „Die Weisen, wenn sie sehen, dass das Volk auf den Straßen von Regengüssen ständig überschüttet wird, versuchen sie die Menschen zu überreden, dass sie schnell vom Regen zurückweichen und die Häuser aufsuchen. Aber sie verbrauchen vergeblich Worte. Deshalb wollen sie selbst nicht in der Öffentlichkeit auftreten, weil sie wissen, dass sie nichts bewirken werden, wenn sie herauskommen. Sie wollen nicht zusammen mit diesen nass werden. Weil sie eine fremde Dummheit nicht gänzlich heilen können, wollen sie selbst wenigstens im Trockenen und im Sicheren sein.“
Lektion 74:
Ist gemeinsammer Besitz utopisch?
R. sprach folgendes: Er frage selbst, ob private Dinge überhaupt nötig seien, damit die Menschen glücklich Leben würden. Damit Morus folgendes leichter einsehe, werde er alles kurz und möglichst wahr darlegen: die Bürger Utopiens hätten erreicht, dass der Reichtum gleich unter allen aufgeteilt werde, obwohl dies nicht leicht erreicht werden könne. Jene hätten Überfluß an allen dingen, obwohl kein Privateigentum bei ihnen da sei. Denn er meine, dass das öffentlich Wohlergehen bewirkt werden könne, wenn die Bürger, nachdem eigene Sachen beseitigt seien, in höchster Gleichheit leben würden. Und R. fügt hinzu: Denn allein diese Gemeinde, in der alle mit höchster Bemühung sich den öffentlichen Geschäften widmen würden, werde rechtmäßig und verdientermaßen Staat genannt. Dann unterbrach Morus, obwohl er von dessen Worten heftig bewegt worden sei, ruhig und freundlich: Es scheine ihm dagegen, dass dort, wo alles gemeinsam sei, niemals angenehm gelebt werden könne. R. solle auch dies überlegen: Wie sei eine reichliche Menge vorhanden, wenn jeder einzelne die Arbeit möglichst oft meide und im Vertrauen auf fremden Fleiß träge werde? Sei freilich dieses gem. Leben, ohne irgendeinen Handel mit Geld nicht besonders sinnlos? Warum sollen all der Adel, die Pracht, der Glanz, jede Erhabenheit, die wahre Schmuckstücke der Bürger seien, vernichtet werden? Er selbst gestehe, dass es im Staat der Utopier gewisse dinge gebe, die in unserer Bürgerschaft fehlen; trotzdem stimme er nicht allem zu, das gesagt wurde.
Lektion 75:
Am Ende der Zeitreise
Dies war eine sehr lange Reise. Ich stimme dir zu. Und zwischendurch war es rau und schwierig. Felix sagt: Am Anfang unserer Reise sagte ich euch, dass diese Reise nicht gefährlich, aber mühsam werden würde. Was aber gehört zur Sache der Menschen und was habt ihr gesehen? Habe ich euch denn etwa mehr versprochen, als ich erfüllt habe? Ganz und gar nicht, Felix! Du warst ein guter Führer. Jener ganze Weg gefiel mir sehr gut und wir kennen die Römer bestens. Ich habe nicht geglaubt, dass die Einwohner so vieler Städte Europas so lange Zeit Latein gesprochen haben. Obwohl mir das Vokabel lernen zwischendurch lästig war, lernte ich dennoch viele Wörter fremder Sprachen die vom lat. hergeleitet worden sind. Felix sagt: Ich freue mich sehr, dass du das gesagt hast. Durch welche Dinge, bitte, seid ihr besonders erfreut worden, die wir auf unserer Reise kennen gelernt haben? Mir haben die Tage, an denen wir in Mainz waren und Rinoldus den Händler gesehen haben am besten gefallen. An diesem Tag habe ich die Gelegenheit genutzt den schönen Mantel zu kaufen. Ich freilich bin vom Ausbruch des Vesuvs so bewegt worden, dass ich von Angst vor dem Tod befallen worden bin.Außer den übrigen Sachen halte ich in Erinnerung, auf welche Weise die Stadt Rom gegründet worden ist. Anchises war ein guter Seher, als er dem Sohn Äneas die Zukunft Roms zeigte. Erinnert ihr euch an diesen Tag, an dem wir auch mit lauter Stimme.Calvisus, diesen glatzköpfigen Senator verspottet haben? Ich bin mit großem Schmerz versehen worden, als wir die Geschichte über Orpheus und Eurydicae gelesen haben. Warum wandte jener die Augen zur Ehefrau, bevor er das Licht der Sonne sah? Ich bin heftig erschrocken, als wir hörten, dass Diokletian so viele Christen mit Grausamkeit unterdrückt und gequält hat. So viele Menschen sind für ihren Glauben gestorben. Besonders erinnere ich mich an einige berühmte Römer, wie zum Beispiel Cicero, Caesar, Augustus, Hadrian und Konstantin. Was, tatsächlich? Habt ihr die Utopie eines neuen Staates vergessen? Ich jedenfalls möchte in einem so beschaffenen Staat leben! Aber was wird weiterhin folgen, Felix? Glaubst du, dass wir nun Werkeröm. Schreiber lesen können? Felix sagt: Vielleicht seid ihr noch nicht vollkommen ausgebildet. Ihr könnt aber schon kleine und einfachere Schriften zu dieser Zeit lesen.Warum versucht ihr dies nicht? Ich bin davon überzeugt, dass euch Lehrerinnen und Lehrer helfen werden, wie ich euch auf eurer Reise geholfen habe. Aber nun freut euch, Freundinnen und Freunde! Denn es ist nötig, dass mir neue Schülerinnen und Schüler anvertraut werden; ich werde zu neuen Aufgaben hinübergehen. |