Lektion 41:
Kann eine „Kichererbse“ Karriere machen?
Ein echter Römer erstrebte nichts so heftig wie Ru(h)m J und Ansehen.
Wie viele berühmte Taten er ausführte, so viele Ehren wurden diesem zuteil. Das Ansehen aber eines einzigen Mannes hat dessen ganze Familie berühmt gemacht.
Aber es gab auch unbedeutende Familien, wie das Geschlecht der Tullier, aus dem Marcus Tullius Cicero stammte. Jener glaubte indessen, dass so viel an Begabung in ihm stecke wie in wenigen Bürgern sonst. Oft dachte er bei sich: „Wie werde ich Amt und Lob erwerben?“ Deshalb schlug er eine politische Laufbahn ein und erstrebte so Grosses wie niemand aus seiner Familie bisher. Irgendwelche Freunde aber lachten ihn aus: „Die Leute werden sagen, du bist so beschaffen wie eine Kichererbse. Deinen Namen werden sie zum Gespött machen. Also leg entweder deinen Namen ab oder ändere ihn!“
(Einem Vorfahren wurde nämlich jener Name gegeben, weil er auf der Nase eine Einkerbung hatte, die aussah wie eine Kichererbse).
Cicero antwortete ihnen: „Ihr gebt mir einen solchen Rat, wie er zu euch passt. Aber ich werde kein Leben im Schatten führen. Mit Sicherheit werde ich den Namen des Cicero einmal so berühmt machen, wie es die Namen der vornehmen Familien sind.
Lektion 42:
Ein junger Politiker profiliert sich
Du begehst ein Unrecht, Chrysogonus, wenn du jetzt deine Hoffnung auf die Vernichtung von Sextus Roscius setzt. Wie groß ist deine Grausamkeit, wenn jener junge Mann dir seinen ganzen Besitz, außer seinem Leben, übergeben musste! Auch Dieben nützt vor allen Dingen diejenige Beute, die sie ohne Blutvergießen rauben können.
Du weißt, dass dieser nichts hat, nichts wagt, nichts kann. Was ist ihm gelassen worden? Nichts außer schlechten Kleidern. Trotzdem rufst du diesen Unglücklichen vor Gericht und bereitest seine Vernichtung vor. Was hat dich zu so großer Wut veranlasst? Kannst du es etwa nicht ertragen, dass dieser bekleidet dasteht, den du nackt aus dem väterlichen Erbe vertrieben hast?
Warum seid ihr, die Richter, Sextus Roscius nicht zu Hilfe gekommen, als so großes Unrecht gemacht wurde? Ihr könnt ihm helfen, ihr müsst ihm nützen. Eine Hoffnung des Sextus Roscius ist auf eure Macht und Güte gesetzt. Wem ist die Grausamkeit des Chrysogonus jemals von Nutzen gewesen? Welche Schandtaten haben seine Kameraden sich nicht ausgedacht? Wenn auch ihr grausam seid, werden wir eher zwischen wilden Tieren leben können als in dieser Republik.
Die Römer pflegen auch die besiegten Feinde zu verschonen; auf diese Weise waren sie der Republik oft von Nutzen. Daher, bei den unsterblichen Göttern, beseitigt die Grausamkeit aus der Bürgerschaft! Verschont, Richter, diesen Sextus Roscius! Er hat nicht einmal ein einziges Verbrechen begangen.“
Lektion 43:
Auf der Höhe der Macht
Als die Rede vom Konsul gehalten worden war, sprach als erster der gewählte Konsul Silanus: „Wir müssen“, sagte er, „die Todesstrafe an diesen unverschämten Männern vollstrecken. Nun ist es die Aufgabe des Konsuls, das zu tun, was dem römischen Volk von Nutzen ist.“
Weil diese Meinung von vielen gebilligt worden war, sagte Cäsar: „Was wird zum Wohl der Republik sein? Es ist typisch für einen Weisen, gut über diese Sache nachzudenken. Gewiss bin ich dafür, dass diese Männer im Gefängnis gehalten werden, dass ihr Geld beschlagnahmt wird.“
Dann stimmte Cicero teils mit Silanus, teils mit Cäsar in dieser zweifelhaften Sache überein. Doch Cato schrie, von Zorn entflammt: „Die Meinung Cäsars wird uns zum großen Schaden sein. Solange Catilina lebt, werden wir nicht sicher sein. Auch seine Freunde sind des Todes würdig.“
Cicero aber führte, als der Senat entlassen war, Lentulus aus dem Palatin, wo er in Haft war. Dann hat er befohlen, dass er in der Anwesenheit vieler Buerger durch die heilige Strasse zum Staatsgefängnis abgeführt werde. Dort übergab er ihn dem Henker. Nachdem auch die anderen getötet worden waren, sagte Cicero mit lauter Stimme: „Sie haben gelebt.“ Die Buerger aber freuten sich und riefen: „Auf Ciceros Veranlassung hin ist die Republik wieder hergestellt worden. Sei gegrüßt, Vater des Vaterlandes.“
Lektion 44:
Tiefer Sturz
Cicero grüßt Atticus.
Zu deinem Brief schreibe ich: mich schmerzt der Neid der Feinde, aber den Verstand habe ich bis jetzt noch nicht verloren. Aus der Stadt wäre ich nicht weggegangen, wenn nicht sogar du mir zur Flucht geraten hättest. Wenn Freunde mir andere Ratschläge gegeben hätten, wäre ich zu Hause geblieben. Freilich in großem Schmerz habe ich die Meinen zurückgelassen. Wenn es mir erlaubt wäre, diese zu sehen, würde ich sicher von außerordentlich großer Freude überwältigt. Nun werde ich von allen Botschaften beunruhigt und von dem Unglück bedrückt.
Du hast Cato zu Recht entschuldigt. Obwohl er mir nicht beistand, bei den Plänen der schlechten Männer war er wohl nicht dabei. Die Antwort des Pompeius hat mich erschreckt und ich wäre verzweifelt, wenn du mir nicht beigestanden und zur Hilfe gekommen wärst. Nur du hast das machen Können. Wie blind ich war, blind und um den Verstand gebracht! Wenn ich nicht so blind gewesen wäre, hätte ich das Volk nicht angefleht und angerufen. was aber hat das Volk zu dieser Zeit vermocht?
Doch dir das zu sagen ist dumm. Sicher würde meine Hoffnung auf Freunden ruhen, wenn meine Feinde jetzt nicht so großen Einfluss hätten. Clodius hat ein Gesetz am Türpfosten der Kyrie angeheftet, welches verbietet, sich noch mal mit mir zu beschäftigen.
An deinem Glauben hätte ich auch gezweifelt, wenn du mir nicht durchs ganze Leben die Treue gehalten hättest. Mit diesem Brief klage ich nicht dich, sondern mich an.
Lektion 45:
Was ist das - ein Philosoph
Leon: „Ich bitte dich, dass du mir deine Weisheit zeigst. Denn viele sagen, du seiest weise. Was ist die Einsicht deines Lebens? Welche Kunst hast du?“
Pythagoras: „Ich bringe die Menschen nicht dazu, dass sie mich weise nennen. Und ich kenne nicht irgendeine Kunst, sondern bin ein Philosoph.“
Leon: „Ich bitte, dass dieses Wort, das mir unbekannt ist, von dir erklärt wird. Was für Menschen sind Philosophen? Was für ein Unterschied besteht zwischen diesen und den übrigen Menschen?“
Pythagoras: „Das Leben der Menschen ähnelt den Festspielen der Griechen. Denn bei den Spielen streben die Einen danach, sich Anstrengungen zu unterziehen und durch körperliche Kraft Lob einzuheimsen, die Anderen möchten erreichen, dass ihr Reichtum auf dem Forum vergrößert wird. Viele kommen folglich zu Spielen zusammen. Aber wenige geben sich Mühe, dass sie alles, was dort gemacht wird, sehen und erkennen.
So wie die Griechen zu den Spielen zusammenlaufen, so zeigen sich die Menschen im Leben: sehr viele sorgen sich, damit sie ruhmreich und wohlhabend werden. Ich fürchte, dass diese Sklaven des Ruhmes und des Geldes sind, aber dass sie keine Weisheit haben. Wenige, weil sie um die Weisheit bemüht sind, werden wirklich Philosophen genannt. Diese lassen sich nicht einmal durch Mühen abschrecken, die Natur der Dinge durchschauen zu wollen. So liegt einzig die Beobachtung der Dinge den Philosophen am Herzen.“
Lektion 46:
Trost für einen Trauernden
Lucius Lucceius grüßt Markus Tullius
Ich weiß nicht, warum du bis jetzt nicht nach Rom gekommen bist. Wenn du von der Einsamkeit erfreut wirst, wenn du suchst, was die griechischen Schriftsteller über Trost gesagt haben, wenn du selbst solche Dinge schreibst, dann freue ich mich und tadle deinen Beschluss nicht. Ich habe dich von hier traurig weggehen sehen. Gib dich nicht zu sehr den Tränen und der Trauer hin! Ich weiß von wie großem Schmerz du nun erfüllt bist. Doch durch deine Klagen machst du keine Fortschritte. Daher komm in unsere Gemeinschaft zurück! Es gibt keinen Grund, warum du nicht auf diese Weise den Schmerz linderst.
Markus Tullius grüßt Lucius Lucceius
All deine Liebe ist in diesen Briefen, welche ich von dir erhalten habe. Zu Recht vermutest du, welche Heilmittel gegen so große Wunden von mir gesucht worden sind. Denn vieles, was über Trauer geschrieben worden ist, habe ich gelesen. Ich möchte in Erfahrung bringen, welche Ratschläge der Philosophen mir entgangen sind. Bald wirst du wissen, was ich selbst über Trost geschrieben habe: denn ich werde dir mein tröstendes Buch schicken. Doch der Schmerz siegt über jeden Trost. Ich weiß nicht, wo es für mich einen Zufluchtsort gibt. Du weißt, wie viele Schmerzen mir die Menschen, das Forum und die Kurie zugefügt haben. Auch du bleibe nicht in Rom. Wenn du kannst, komm zu mir!
Lektion 47:
Cäsar greift nach der Macht
Cäsar führte gegen die Gallier Krieg, damit er ganz Gallien beherrschte. Auch mit den Germanen kämpfte er, weil sie den Rhein überquert hatten und den Galliern halfen. Er baute eine Brücke über den Rhein und griff die Germanen in ihrem Gebiet an, damit sie nicht immer wieder nach Gallien kommen sollten. Mit soviel Kühnheit führte er Schlachten, dass er den Germanen große Verluste zufügte. Er fiel auch nach Britannien ein, um von den Besiegten Geld und Geiseln zu verlangen. Bei Suetonius lesen wir, dass Cäsar von solcher Tapferkeit war, dass er alle Menschen übertraf. Wenn seine Soldaten eine Niederlage erlitten hatten, trat Cäsar ihnen oft allein entgegen, damit sie nicht fliehen konnten. So hat er jene gegen die Feinde gewandt und von der Flucht abgehalten. Die Freunde behandelte er mit so großer Menschlichkeit, damit er von jenen nicht verlassen, sondern immer geschätzt wurde. Viele Menschen beleidigte er trotzdem so, dass er bei diesen verhasst war. Deshalb glaubten einige Römer, dass er mit Recht getötet worden ist. Er war nämlich von solcher Arroganz, dass er das Vaterland und die Gesetze vernachlässigte und manchmal sagte, dass die Republik nichts sei als ein Wort ohne Substanz oder Gesicht.
Lektion 48:
Cäsar verzeiht seinen Gegnern
Als Corfinium erobert ist, befiehlt Cäsar, dass alle Senatoren, die Tribunen des Militärs und die römischen Reiter zu ihm geführt werden sollten. All diese hält er davon ab, die Soldaten zu beleidigen. Diese Worte spricht er zu ihnen: „Warum dankt ihr mir nicht für so viele Wohltaten, die ich euch erwiesen habe?“ Trotzdem schickt er alle unversehrt weg.
Bei den pompejanischen Soldaten, welche Corfinium verteidigten, hielt er diese Rede: „Obwohl ihr mir eine Niederlage zufügen wolltet, will ich euch trotzdem nicht bestrafen. Pompeius aber hat euch zurück und im Stich gelassen. Nun hat er nichts anderes im Sinn als die Flucht. Euch kann er keine Hilfe mehr bringen.“ Dann befahl er, dass die Soldaten ihm einen Treueeid schwören sollten. Das Geld, welches ihm von dem corfinianischen Magistraten herbeigebracht worden war, nahm er nicht entgegen; er befahl, dass dieses eingesammelte Geld den Corfiniern zurückgebracht werde. So zog er nicht nur Menschlichkeit dem Stolz vor, sondern auch die Selbstbeherrschung der Habsucht.
Am Ende beauftragte er irgendeinen Boten, Pompeius dieses zu melden: „Es gehört sich, dass wir über Friedensbedingungen verhandeln und die Eintracht wiederherstellen, damit die Republik gerettet wird.
Lektion 49:
Die Rache des Augustus
Oktavian führte fünf Buergerkriege; den Anfang und die Ursache aller Kriege nahm er von hier aus: Er wollte den Mord an seinem Onkel rächen. Gegen die Gegner übte er große Überheblichkeit in jeder Art aus, er zog die Grausamkeit der Milde vor: Den Kopf des Brutus, der im Kampf besiegt worden war, ist von Oktavian nach Rom geschickt worden, damit er unter der Statue Cäsars gelegt werde.
Als die Gegner besiegt worden waren, zeigte er sich gegen Menschen jedes Geschlechts und Alters grausam. Nicht einmal die adligen Gefangenen hat er verschont: Es ist überliefert worden, dass er irgendeinem Mann, der ein Begräbnis verlangte, geantwortet habe, dass er jenes den Geiern überlassen solle. Als die Stadt Perusia eingenommen worden war, hat er gerade die Besten mit der Hinrichtung bestraft. Den Einwohnern, die um Gnade baten antwortete er: „Es ist notwendig, dass ihr sterbt.“ Schreiber überliefern, dass 300 Männer beim Altar des göttlichen Julius an den Iden des März geopfert wurden.
Antonius, der in der Schlacht bei Actium besiegt worden war, führte er her, damit er sich selbst tötete.
Auch Caesarion, den Sohn Cleopatras, ließ er hinrichten, um den Namen der Königin der Ägypter aus der Geschichte zu löschen. Dass Cleopatra dieses Kind von Caesar empfangen habe, bestätigten viele.
Lektion 50:
Augustus - ein Friedenskaiser
Als die Schlacht bei Actium geschlagen war, hat Oktavian sich darum bemüht, dass die Erinnerung an seinen Sieg verewigt werde; deshalb hat er die Stadt Nicepolis, was „Die Stadt der Siege“ bedeutet, erbaut und beschlossen, dass dort Spiele abgehalten würden. Dies ist so geschehen, damit die Größe seines Sieges nicht aus dem Gedächtnis der Römer ausgelöscht werden könnte.
Doch Octavian wollte weder das Gebiet des Reichs noch den Ruhm des Krieges ausweiten. Gegen kein Volk wurde, ohne gerechte Gründe, Krieg geführt. Varus freilich, ein Feldherr der Römer, der in Germanien kämpfte, hat eine schwere Niederlage erlitten. Von dort ist ein großer Tumult in Rom entstanden.
Als Augustus von dieser Niederlage erfuhr, war er so aufgewühlt, dass er über viele Tage hinweg, den Bart und die Haare wachsen ließ und immer wieder rief: „Varus, Varus! Gib mir meine Legionen zurück!“
Augustus war es ein großes Anliegen, Aufstände und Kriege überall zu beenden. Tatsächlich gelang es ihm, dass er auf der ganzen Welt Frieden und Einigkeit zurückbrachte und über viele Jahre bewahrte. Unter seiner Führung geschah es. dass vieles, was dem Heil der Buerger entgegenstand, aus dem Weg geräumt und Rom quasi wieder neu erbaut wurde. So ist er zum Urheber der besten Verfassung des Staates geworden. Trotzdem stellte er die freie Republik nicht wieder her. |